GwG-Revision: Zwingen Anwälte den Bundesrat zum «Türfallen-Polieren»?

Entgegen den Empfehlungen von Bankiervereinigung und Economiesuisse lehnte eine bürgerliche Mehrheit des Nationalrates am 2. März 2020 das Eintreten auf das Geschäft der Revision des Geldwäschereigesetzes (GwG) ab. Dem Bundesrat und Finanzminister Ueli Maurer droht damit die Aussicht – so sein Wortlaut – «Türfallen polieren» zu müssen.
 

Hintergrund der Gesetzesrevision

Der zur Debatte stehende Gesetzesentwurf soll dem vierten Länderbericht der Financial Action Task Force (FATF) Rechnung tragen und entsprechende Lücken im Schweizer Dispositiv der Geldwäschereibekämpfung schliessen. Die an die OECD angegliederte Expertengruppe hatte der Schweiz in ihrem Examen im Jahr 2016 ein durchwachsenes Zeugnis ausgestellt und in insgesamt 9 ihrer 40 Empfehlungen Verbesserungspotenzial aufgezeigt. Seither befindet sich die Schweiz in einem sogenannten Enhanced-follow-up-Prozess.

Anwälte im Fokus der Debatte

Inmitten der vielschichtigen Elemente der Gesetzesrevision offenbarte spätestens die Nationalratsdebatte, dass das Vorhaben vor allem aufgrund der neu einzuführenden Kategorie der «Berater/-innen» zu scheitern droht. Anwaltskreise befürchten, dass die entsprechende Ausweitung des GwG-Geltungsbereichs in der vorliegenden Version über das Ziel hinausschiesst und einer Aushöhlung des Anwaltsgeheimnisses gleichkommt, da mit der neu erschaffenen Kategorie auch ein Teil der typischen bzw. berufsspezifischen Anwaltstätigkeit erfasst würde.

Gemäss Lehre und Rechtsprechung wird diese typische Tätigkeit von der sogenannten akzessorischen Anwaltstätigkeit unterschieden. Demnach ist ein Anwalt bis anhin nur dann den Regeln des GwG unterstellt, wenn er über fremde Vermögenswerte verfügt oder verfügen kann. Durch die Revision würde die Anwendung insofern ausgeweitet werden, als dass künftig gewerbliche (Beratungs-)Dienstleistungen im Zusammenhang mit der «Gründung, Führung oder Verwaltung» von Sitzgesellschaften und Trusts auch ohne Verfügung über fremde Vermögenswerte erfasst würden. Die dahingehende Bestrebung ist in den letzten Jahren nicht zuletzt auch durch die journalistischen Offenbarungen um die «Panama Papers» getrieben worden.

Im Sinne der GwG-Prüfpflicht müsste ein Anwalt, der Klienten im vorbeschriebenen Sinne berät, einem Revisionsunternehmen unweigerlich Einsicht in Unterlagen gewähren, deren Informationen nach Art. 321 StGB dem Schutz des Berufsgeheimnisses unterstehen – so die Befürchtung. Über die rechtsstaatlichen Bedenken hinaus resultierten die zusätzlichen Sorgfaltspflichten gemäss Kritikern zudem in einem absurden bürokratischen Mehraufwand in der Ausübung von klassischen Anwaltstätigkeiten, deren Kosten das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Klient belasten würden.

Kommt es zum «Türfallen-Polieren»?

Obwohl der Bundesrat im Rahmen der Nationalratsdebatte Offenheit für die Detailberatung derartiger Bedenken signalisierte, drohen die Besorgnisse der Anwälte und der damit verbundene Entscheid zum Nichteintreten, die Gesetzesrevision in ihrer Gesamtheit zu versenken. Auf der Kippe steht damit nicht nur die Einbindung von Beraterinnen und Beratern in den GwG-Geltungsbereich.

Auch Finanzintermediäre werden sich im Sinne der Revision verschärften Sorgfaltspflichten, etwa der zwingenden Verifizierung von wirtschaftlich Berechtigten oder der regelmässigen Aktualisierungspflicht von Kundendaten, unterstellen müssen. Weitere zentrale Elemente der Gesetzesrevision bilden die Anpassung des Meldesystems für Meldungen an die MROS, eine Ausweitung der Sorgfaltspflichten für Edelmetall- und Edelsteinhändler bei Bartransaktionen sowie Verbesserungen in der Transparenz von Vereinen mit erhöhtem Risiko der Terrorismusfinanzierung.

Ohne Gesetzesrevision scheint die zeitliche Umsetzung dieser durch die FATF empfohlenen Massnahmen sowie ein Entkommen aus dem Enhanced-follow-up-Prozess jedoch unwahrscheinlich. Der nächste Länderbericht der FATF ist für die Schweiz bereits für 2021 vorgesehen. Die Gesetzesrevision geht unterdessen als nächstes an den Ständerat. Gewichtet auch er die Besorgnisse betreffend Anwaltsgeheimnis höher als die FATF-konforme Transparenz des Schweizer Finanzplatzes, so steht dem Bundesrat effektiv harte Überzeugungsarbeit bei den Gegnern der Vorlage bevor, um den Weg für einen Kompromiss auf beiden Seiten zu ebnen.

23.04.2020