«Fraud» im Unternehmensumfeld: Dolos, bist Du es gewesen? (Teil 1/3)

Was ist Betrug bzw. «Fraud»?

«Wer in der Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädigt, wird […] bestraft.» (Art. 146 Abs. 1 StGB)

Diese Definition des Betruges umfasst Bestandteile des strafrechtlichen Handelns und unterstellt Arglist, eine Bereicherungsabsicht und Täuschung. Unter dem Sammelbegriff «Fraud» verstecken sich aber weitere unrechtmässige Handlungen, die unter die sogenannte Unternehmenskriminalität fallen.

Bei der Unternehmenskriminalität, insbesondere dem «Corporate Fraud», handelt es sich um Taten, die ein unter dem Namen einer Gesellschaft vorsätzliches Handeln, Dulden oder Unterlassen zum Zwecke der persönlichen Bereicherung bezeichnen. Die Spannweite der Unternehmenskriminalität erstreckt sich dabei von kleineren Vergehen (z.B. Krankheitstag einreichen, obwohl nicht krank) bis hin zu sehr komplexen Delikten, die über die Schädigung wirtschaftlicher Einzelinteressen hinausgehende Auswirkungen und damit hohe bzw. über viele Unternehmen / Einzelpersonen gestreute Schadenssummen haben. Der «Global Fraud and Risk Report 2019/20» von Kroll zeigt, dass für die globale Finanzindustrie externer bzw. interner Fraud unverändert auch aktuell eine wesentliche Rolle spielt. 35% bzw. 25% der Vorfälle, die laut einer Umfrage von Kroll die Organisationen der Finanzindustrie 2019 beeinflussten, betrafen externen bzw. internen Fraud.

Wie wird eine Person zum Betrüger?

Wie kommt es dazu, dass Menschen dolose (i.e. betrügerische) Handlungen vollziehen? Auskunft darüber gibt das dolose Dreieck (engl. Fraud Triangle) von Donald R. Cressey.

Dieses Dreieck enthält drei Komponenten, die das Risiko erhöhen, Betrug zu begehen:

  1. Druck / Motiv («pressure»): Ein subjektiv verfolgter Anreiz oder subjektiv empfundener Druck
  2. Gelegenheit («opportunity»): Eine subjektiv empfundene Gelegenheit und die Fähigkeit, die betrügerische Handlung auszuführen
  3. Persönliche Rechtfertigung («rationalization»): Persönliche Rechtfertigung der betrügerischen Handlungstat

Das Ziel liegt darin, betrügerische Handlungen erst gar nicht entstehen zu lassen und diese so zu verhindern - oder bildhaft gesprochen: mindestens eine der drei Seiten des Dreiecks zu durchbrechen. Besonders gut dafür eignet sich, die «Gelegenheit» zu durchbrechen und Massnahmen zu ergreifen, die verhindern, dass die Tat eine Chance auf Erfolg hat.

Wie können betrügerische Handlungen konkret verhindert werden?

Folgende drei Massnahmen können und müssen insbesondere Finanzdienstleister im Sinne des GwG ergreifen, um betrügerischen Handlungen vorzubeugen bzw. diese zu entdecken:

  1. Prävention: Geeignete Massnahmen wie eine gut integrierte Governance-Struktur, Früherkennung bei gefährdeten Mitarbeitenden, Regelwerke und interne Kontrollen, die betrügerische Handlungen verhindern können. Mehr dazu in Teil 2 dieser Serie.
  2. Aufdeckung: Definition von Massnahmen und Handlungen, die betrügerische Taten innerhalb des Unternehmens oder dessen Wirkungskreis aufdecken. Mehr dazu in Teil 3 dieser Serie.
  3. Aufklärung: Erarbeitung von Analysen über die eingetretenen dolosen Handlungen, um Schadensermittlung zu betreiben und betroffene Geschäftsbereiche zu identifizieren und zu prüfen.

In Teil 2 erfahren Sie, ob Prometheus seine Aletheia schützen kann.

01.10.2020