Von einer Unschulds- zur Schuldvermutung im Kampf gegen Geldwäscherei

«In dubio pro reo» – im Zweifel für den Angeklagten. Das soll sich bei einem Geldwäschereiverdacht in der Schweiz ändern, geht es nach Daniel Thelesklaf, bis letzten Juni oberster Geldwäschereibekämpfer des Bundes. Seiner Meinung nach benötigt das Schweizer Geldwäscherei-Abwehrdispositiv ein griffiges Instrument, um den Geldwäschern das Handwerk zu legen. Nur ein winziger Bruchteil der von Banken gemeldeten Gelder könne durch die Schweizer Behörden eingezogen werden. Grund dafür sei, dass Schweizer Staatsanwälte ohne Beweise die Geldwäscherei nicht verfolgen können und der Fall eingestellt werde.

Hier soll nun eine Beweislastumkehr Abhilfe schaffen. Bei einer Geldwäschereiuntersuchung der Schweizer Behörden sollen Verdächtige zukünftig die legale Herkunft von Vermögensbestandteilen nachweisen müssen. Diese Änderung in der Geldwäschereibekämpfung wäre nötig, da die Schweiz für das Einziehen von schmutzigen Geldern auf die Rechtshilfe anderer Staaten angewiesen ist. Das Beispiel des Korruptionsskandals um die staatliche venezolanische Erdölfirma PDVSA zeigt jedoch, wie problematisch eine solche Abhängigkeit für eine erfolgreiche Ermittlung sein kann. Oftmals sind die Staaten und auch die Justiz selber in die Fälle verwickelt und haben entsprechend kein Interesse, Beweise zu liefern. Aus diesem Grund handelt es sich bei Verurteilungen wegen Geldwäscherei meist um Kleinstfälle. Die grossen Geldwäscher bleiben häufig unangetastet.

Rütteln an rechtstaatlichen Grundpfeilern oder griffiges Instrument?

Wie der Venezuela-Korruptionsskandal aufzeigt, hätten die Ermittler durch die Beweislastumkehr das nötige Werkzeug, um die Bereicherung hoher Staatsangestellter aufzudecken und die Gelder einzufrieren. Doch kritische Stimmen weisen darauf hin, dass eine solche Änderung rechtstaatlich nicht ganz unbedenklich sei. So wird eine schwierige Beweisführung bei anderen Straftaten auch nicht durch eine Beweislastumkehr ausgeglichen. Keine Person muss beweisen, dass sie ihr Fahrrad nicht gestohlen oder im Jahr 2020 nicht noch mehr verdient hat. Die Umkehr von der Unschuldsvermutung zur Schuldvermutung macht aus jeder Person, die unter Verdacht gerät, quasi automatisch einen Straftäter, wenn sie sich nicht «freibeweisen» kann.

Es müsste jedoch nicht jeder Normalbürger dem Staat beweisen, sein Geld auf legale Art und Weise erworben zu haben. Komplexe Fälle, bei denen eine Person Geld über 100 verschiedene Gesellschaften in über 50 Länder transferiere, sollten durch diese Regelung betroffen sein. In solchen Fällen solle eine Beweislastumkehr erfolgen und die Person nachweisen müssen, ihr Geld legal erworben zu haben. Aber Vorsicht: es gibt auch legale Firmenstrukturen mit diesem Ausmass.

Ausarbeitung der richtigen Strategie für die Zukunft

Fakt ist, dass Geldwäschereiermittlungen inhärent schwierig sind, da es sich um einen komplexen Straftatbestand handelt, der notwendigerweise Bezug auf eine in der Vergangenheit liegende Vortat nimmt und dabei meist auch grenzüberschreitende Bezüge aufweist. Zudem finden Geldwäscher mit jeder Stärkung des Geldwäscherei-Abwehrdispositivs neue Wege, ihre Einkünfte aus Drogen- und Menschenhandel, Korruption oder anderen illegalen Machenschaften in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Eine Beweislastumkehr könnte ein Ansatz sein, der aber gut durchdacht und auf seine Vereinbarkeit mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu prüfen wäre.

Sollten Schweizer Staatsanwälte zukünftig auf eine Beweislastumkehr im Kampf gegen Geldwäscherei bauen können, sollten die Risiken, die mit einer Schuldvermutung einhergehen, nicht ausser Acht gelassen werden.

22.10.2020