«Zuerst für FIDLEG, dann für FINIG alles auf den Kopf stellen - wozu?»

Übergangsfristen, Stellvertretung und Best Execution

Bei einem jährlichen Weiterbildungsanlass zu den Geldwäschereipflichten treffen sich die beiden Vermögensverwalter Paul und Andreas für ein anschliessendes Gespräch. Beide sind Geschäftsführer von kleineren Gesellschaften im Bereich der individuellen Vermögensverwaltung. Lassen Sie uns kurz reinhören…

Paul: Meine Gesellschaft ist gerade im Lizenzierungsprozess und wir erwarten, dass wir die Bewilligung in nächster Zeit erhalten werden. Konntest du die FINMA-Lizenz bereits beantragen?

Andreas: Nein, um ehrlich zu sein hatte ich keine Zeit dafür, ist doch viel wichtiger, dass ich mich um meine Kundenportfolios kümmere. Da ich noch keiner Aufsichtsorganisation unterstellt bin, kontrolliert ja auch niemand, ob ich das FIDLEG bereits umgesetzt habe.

Paul: Moment, das stimmt so nicht ganz. Auch wenn du noch keiner Aufsichtsorganisation unterstellt bist, gehörst du wie bisher einer SRO an. Diese wird im Rahmen ihrer Prüfungen ebenfalls die Umsetzung nach FIDLEG überwachen. Zudem haben mich auch schon Kunden kontaktiert, um sich direkt zu erkundigen (lesen Sie dazu unseren Artikel vom vergangenen Juni). Insbesondere in Bezug auf den Anlegerschutz ist es für Kunden wichtig zu wissen, dass sich Vermögensverwalter an die aktuell gültigen Gesetze und Richtlinie halten.

Andreas: Ich wurde dazu auch schon kontaktiert, aber ich kenne ja die Positionen der Portfolios auswendig und habe die Risiken im Griff. Zudem kann ich nicht verstehen, weshalb es hier zwei unterschiedliche Übergangsfristen gibt. Dieses Jahr folgt die Umstellung nach FIDLEG und im nächsten Jahr muss ich wieder alles für FINIG auf den Kopf stellen.

Paul: Ich sehe, dass du dich noch nicht im Detail mit dem neuen Gesetz auseinandergesetzt hast. Am einfachsten ist es, wenn bei der Umstellung nach FIDLEG ebenfalls die Anwendung von FINIG implementiert wird. Anschliessend bist du gut vorbereitet, um die Lizenzierung nach FINIG zu beantragen.

Andreas: Doch, natürlich habe ich mich bereits damit befasst. Ich bin nur nicht sicher, weshalb ich als One-Man-Show eine Stellvertretung benötige. Bisher habe ich mich selbst um Geschäftsführung, Portfoliomanagement und Kontrolle gekümmert.

Paul: Du kannst ja weiterhin das einzige Mitglied der Geschäftsführung sein. Du musst einfach sicherstellen, dass die Geschäftsfortführung jederzeit gewährleistet ist. Auch das Risk Management muss nicht unabhängig sein, wenn bestimmte Grössenkriterien (fünf oder weniger Vollzeitstellen oder ein jährlicher Bruttoertrag von weniger als CHF 2 Mio.) nicht überschritten werden und du ein Geschäftsmodell ohne erhöhte Risiken verfolgst. Ich habe mich zum Glück schon frühzeitig mit der Stellvertreterregelung beschäftigt und intern jemand geeignetes gefunden.

Andreas: Schön und gut, sofern die Geschäftsfortführung beabsichtigt ist. Ich könnte ja auch keinen Stellvertreter benennen und das Unternehmen wird aufgelöst, falls mir etwas zustösst.

Paul: Und wer löst das Unternehmen auf? Auch dann benötigst du jemanden, der sich um die Geschäftsauflösung kümmert und deine Kunden und Depotbanken informiert. Ich denke in diesem Fall wäre eine vertragliche Vereinbarung mit einem Treuhänder oder Anwalt ausreichend.

Andreas: Ach was, für so etwas brauche ich doch keinen teuren Anwalt. Darum könnte sich genauso gut mein Sohn kümmern.

Paul: Ist dein Sohn denn qualifiziert für die Aufgabe? Auch wenn die Auflösung der Geschäftstätigkeit beabsichtigt ist, benötigst du jemanden, der über eine gewisse Erfahrung verfügt.

Andreas: Was meinst du mit «gewisse Erfahrung»?

Paul: Nun, falls die Fortführung der Geschäftstätigkeit nicht beabsichtigt ist, muss die Stellvertretung zumindest über genügend Fachwissen für die Geschäftsauflösung verfügen, eben halt ein Anwalt oder Treuhänder. Falls die Weiterführung beabsichtigt ist, muss deine Stellvertretung zudem einen guten Ruf haben sowie fünf Jahre Berufserfahrung und 40 Stunden Weiterbildung im Bereich der Vermögensverwaltung. Das heisst, du müsstest jemanden finden, der ebenfalls eine FINIG-Lizenz hat. Zudem bist du in beiden Fällen weiterhin verantwortlich für die Überwachung und Instruktion der Delegierten.

Andreas: Hm. Also gehen wir davon aus ich finde einen passenden Stellvertreter. Muss ich dem dann auch eine Zeichnungsberechtigung und Zutritt zum IT-System geben?

Paul: So weit ich es verstanden habe, ist das der zentrale Punkt, dass die Fortführung der Geschäftstätigkeit auch in deiner Abwesenheit weiterhin möglich ist. Betreffend der Zeichnungsrechte und Zutrittsgenehmigung bin ich mir aber auch noch unsicher.

Andreas: Und einen weiteren Unsinn finde ich übrigens die Regeln zu Best Execution. Wie soll ich das als Vermögensverwalter nachweisen? Die Transaktionen werden ja nicht direkt von mir durchgeführt.

Paul: Die Transaktionen werden aber von dir in Auftrag gegeben. Somit musst du nachweisen können, dass du geprüft hast, dass die Depotbank die Bestimmungen betreffend Best Execution einhält. Eine jährliche kritische Beurteilung der Depotbanken, mit denen du zusammenarbeitest, sollte ausreichend sein.

Andreas: Gut, dann werde ich einmal im Jahr bei den Depotbanken eine entsprechende Bestätigung anfragen, diese beurteilen und meine Best-Execution-Pflicht ist erledigt. Wenigstens muss ich nicht so viel Aufwand bei der Anlageberatung betreiben, da ist es ausreichend, wenn die Depotbank aufgrund ihrer Execution-Only-Pflichten das Basisinformationsblatt austeilt.

Paul: Ich würde dir empfehlen, neben der GwG-Weiterbildung ebenfalls an einer Schulung betreffend Informations- und Sorgfaltspflichten teilzunehmen. Bei einem Execution-Only-Auftrag muss die Depotbank ein Basisinformationsblatt nämlich nur herausgeben, falls ein solches bereits vorhanden ist. Macht ja auch Sinn, dass du die entsprechenden Basisinformationsblätter zu den Produkten abgeben musst, wenn du der Anlageberater bist. Bei schriftlicher Zustimmung kann das Basisinformationsblatt auch nach Auftragsausführung ausgehändigt werden. Und bei der Anlageberatung für Retailkunden musst du zudem ein Beratungsprotokoll erstellen.

Fazit

Aus dem Gespräch von Paul und Andreas wird klar: Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den neuen regulatorischen Anforderungen ist essenziell und ermöglicht eine effiziente sowie effektive Umsetzung. Zentrale Fragen sollten jetzt geklärt und die Vorgehensweise auf das individuelle Geschäftsmodell abgestimmt werden. Um der Komplexität pragmatisch begegnen und die verfügbaren Optionen gezielt nutzen zu können, kann es hilfreich sein, Unterstützung in Form von spezialisierter Compliance-Expertise hinzuzuziehen.

16.12.2021