Golden Passports – die gekaufte Freiheit in der Krise

Die vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verhängten Sanktionen gegen Russland/Belarus und deren Oligarchen als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine stellen viele Banken vor grosse Herausforderungen.

Die herausfordernde Suche nach sanktionierten Personen

Die Umsetzung der geltenden Sanktionen bzw. das Aufspüren von Vermögenswerten, von denen Banken annehmen müssen, dass sie von Sanktionen betroffen sind, entpuppt sich gerade aktuell alles andere als einfach. Mit der Suche nach dem Namen, dem Domizil oder der Staatsangehörigkeit in der Kundenbasis kann - wenn überhaupt - nur ein Bruchteil der (tatsächlich) betroffenen Personen ausfindig gemacht werden.

Viele reiche und superreiche Russen haben diesbezüglich vorgesorgt und frühzeitig alle möglichen Massnahmen ergriffen. Die Verwendung von komplexen Strukturen mit Sitzgesellschaften oder Trusts ist dabei ein beliebtes Mittel. Ein weniger breit diskutiertes Thema sind sog. Golden Passports oder Visa. Oder genauer gesagt «Investor Citizenship Programme», über welche sich etwa wohlhabende russische Staatsbürger eine EU-Aufenthaltsbewilligung oder sogar eine EU-Staatsbürgerschaft kaufen konnten. Als Beispiele für solche Investor Citizenship Programme in der EU können Malta, Zypern oder Bulgarien genannt werden.

Was soll es denn kosten?

Gemäss bisheriger Praxis in Malta verpflichten sich interessierte Personen, einen Betrag von EUR 30’000 an die Regierung zu leisten. Zudem müssen sie eine Immobilie im Wert von mind. EUR 320’000 in Malta erwerben. In Zypern kann eine Aufenthaltsbewilligung bereits ab EUR 500’000 und eine Staatsbürgerschaft ab EUR 2 Mio. erworben werden. Dadurch hat die Regierung nicht zuletzt den Immobiliensektor des Landes stark angekurbelt. Geprüft wurden lediglich die Antragsteller, nicht aber die Herkunft der Vermögenswerte (Source of Funds).

Die Party ist vorerst vorbei

In einer aktuellen Pressemitteilung der Europäischen Kommission (nachfolgend: Kommission) vom 28. März 2022 fordert diese ihre Mitgliedsstaaten auf,

  • die Investor Citizenship Programme sofort einzustellen.
  • vertiefte Vorabklärungen bei Erteilung von Aufenthalts-genehmigungen zwecks Verhinderung von Geldwäscherei-, Korruptions- oder Steuerhinterziehungsvorfällen zu tätigen.
  • strenge Kontrollen durchzuführen, um festzustellen, ob die EU-Staatsbürgerschaften, die an die zuvor russischen oder belarussischen Staatsangehörigen gewährt wurden, in einem Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine bzw. mit den verhängten Sanktionen stehen.
  • im Falle einer Verbindung zu den erwähnten Sanktionen, die sofortige Rücknahme der EU-Staatsangehörigkeit oder die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung anzuordnen.
  • die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigungen bzw. EU-Staatsbürgerschaften im Rahmen eines Investor Citizenship Programm für alle russischen und belarussischen Staatsangehörigen einzustellen.

Zypern und Bulgarien sind dieser Aufforderung bereits im Oktober 2021 nachgekommen und haben ihr Investor Citizenship Programme vorläufig sistiert. Am 7. April 2022 hat die Kommission die maltesische Regierung aufgefordert, ihr Investor Citizenship Programm für wohlhabende Ausländer zu beenden, da sonst ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof droht. Den Behörden in Valetta wurde eine Frist von zwei Monaten eingeräumt, um auf die Anordnung zu reagieren.

Fazit

Laut einer Studie des European Parliamentary Research Service vom Oktober 2021 haben noch weitere EU-Mitgliedstaaten solche Investor Citizenship Programme angeboten. Namentlich die folgenden: Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, Niederlande, Estland, Lettland, Ungarn, Irland und Luxemburg. Ausserhalb der EU sind dies u.a. folgende Staaten: Türkei, St. Kitts, St. Lucia, Dominica, Antigua & Barbuda, Grenada, Vanuatu und die USA.

Handhabung in der Praxis

Die Banken haben aus dem US-Programm ihre Lehren gezogen und die Kundendokumentation in Bezug auf die Feststellung der Staatsbürgerschaft, des Domizils, des Lebensmittelpunktes bzw. der Geschäftstätigkeit des Kunden verbessert. Der Fokus liegt auch auf der Einforderung von Drittbelegen, um die gemachten Angaben (etwa zum Lebensmittelpunkt des Kunden) zu verifizieren. Die periodische Überprüfung dieser Angaben und die Datenpflege im Allgemeinen sind in entsprechenden Prozessen zu verankern.

19.05.2022