Die «Three Lines of Defense» systemrelevanter Banken im Krisenfall

Mit dem Begriff «Three Lines of Defense» bezeichnet man die Instanzen, die im Krisenfall einer – oft systemrelevanten – Bank zur Deckung des Liquiditätsbedarfs in einem Bankenstress oder in einer Krise beitragen (müssen). Der Begriff, der sich in der Schweiz, aber auch international eingebürgert hat, beinhaltet folgende Elemente:

Die erste Verteidigungslinie bezeichnet die Liquiditätshaltung durch die Banken selbst. Dazu machen Bankengesetz, Liquiditätsverordnung sowie das FINMA-Rundschreiben zu den Liquiditätsrisiken der Banken mannigfaltige Vorgaben in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Zum anderen sind die Banken gut beraten, wenn sie darüber hinaus gehende Selbstvorsorge betreiben und – je nach den individuellen Bedürfnissen – freiwillig zusätzliche Liquiditätsreserven bilden.

Als zweite Verteidigungslinie kann Liquiditätshilfe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zum Zug kommen, wenn sich inländische Banken nicht mehr am Markt refinanzieren können. Die SNB handelt als «Lender of Last Resort», d.h. als Kreditgeberin letzter Instanz und erfüllt damit ihren gesetzlichen Auftrag, einen Beitrag zur Finanzstabilität der Schweiz zu leisten.

Die einschlägigen Richtlinien der SNB unterscheiden zwischen stehenden Fazilitäten und ausserordentlicher Liquiditätshilfe, wobei nur letztere im engeren Sinn Teil des Instrumentariums zur Aufrechterhaltung der Finanzstabilität ist und die SNB in ihrer Funktion als «Lender of Last Resort» handelt.

Stehende Liquiditätsfazilitäten können durch die Banken zur kurzfristigen Überbrückung von unerwarteten Liquiditätsengpässen mittels Repo-Geschäften in Anspruch genommen werden. Solche Liquiditätsengpässe treten z.B. auf, wenn erwartete Zahlungen ausbleiben und die benötigten Mittel nicht rechtzeitig am Interbankenmarkt beschafft werden können. Im Weiteren stellt die SNB zinslos Innertagsliquidität ebenfalls über Repo-Geschäfte zur Verfügung.

Gestützt auf Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG wird die SNB in ausserordentlichen Situationen den von einem akuten Liquiditätsengpass betroffenen Instituten Kredite gegen Sicherheiten (v.a. inländische Hypotheken, aber auch repofähige Wertpapiere) in Form von «Emergency Liquidity Assistance (ELA)» zur Verfügung stellen. Weitere Voraussetzungen sind, dass das Institut für die Stabilität des Finanzsystems von Bedeutung und solvent ist. Die SNB gewährt ELA nur auf Gesuch der betroffenen Bank oder Finanzgruppe und auf der Grundlage einer vorgängig von der FINMA abgegebenen Solvenzbestätigung.

Die dritte Verteidigungslinie ist unter dem Begriff «Public Liquidity Backstop (PLB)» bekannt. Im Kern geht es dabei darum, dass der Staat als Ergänzung zur ELA, sofern diese nicht ausreichen sollte, gleichsam als allerletzte Instanz zeitlich limitiert Liquidität zur Verfügung stellt. Damit der PLB glaubwürdig ist und effektiv zur Beruhigung von Finanzmarktteilnehmern, Märkten und Kunden beiträgt, muss die zur Verfügung stehende Kreditlinie genügend gross sein und gegen aussen kommuniziert werden können. Konzeptionell muss die Liquidität von der SNB kommen, da sie die einzige Instanz ist, die Liquidität zur Verfügung stellen kann. Da die SNB Liquidität ausschliesslich gegen Sicherheiten gewähren darf, braucht es den Staat, der die SNB absichert, falls die kreditnehmende Bank den Kredit nicht zurückbezahlen kann.

Der Bundesrat hat in seiner Medienmitteilung vom 11. März 2022 in Aussicht gestellt, dieses Instrument zur Stärkung der Stabilität des Finanzsektors einzuführen. Das Eidg. Finanzdepartement ist beauftragt, bis Mitte 2023 eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Dieses Instrument soll den systemrelevanten Banken und Finanzgruppen exklusiv zur Verfügung stehen. International stellt der PLB seit längerem einen Standard dar, der entscheidend zur Glaubwürdigkeit der Resolution-Strategien der global systemrelevanten Banken (G-SIBs) beiträgt und im Sinne der Prävention Gläubiger von ungeordneten Rückzügen abhält. Dass die Schweiz diesen Ball nun (endlich) aufnimmt und sich damit die «Too-big-to-fail»-Gesetzgebung – in hoffentlich absehbarer Zeit – vervollständigen lässt, ist vor allem im Interesse der Glaubwürdigkeit und Umsetzbarkeit der Resolution-Strategien von UBS und Credit Suisse sehr zu begrüssen. Ohne die zügige Einführung eines ausreichend grossen PLB ist zu befürchten, dass die ausländischen Behörden (v.a. aus den USA, England und der EU) über kurz oder lang Zweifel an der Verlässlichkeit des Schweizer Systems hegen würden.

15.02.2023