Eine neue Form von Bankenstürmen – eine Herausforderung für die Zentralbanken

Ein Bankensturm oder Bank-run zeichnet sich dadurch aus, dass die Einleger einer Bank das Vertrauen in diese verloren haben und um den Verlust ihrer Einlagen fürchten. Als Folge des Vertrauensverlustes disponieren sie ihre Einlagen bei der Bank kurzfristig ab oder wollen sie bar ausbezahlt haben. Die Grundproblematik des Bankensturms besteht nun darin, dass die Bank allenfalls nicht zur Auszahlung der Einlagen in der Lage ist, weil sie – je nach Intensität des Banksturms – nicht mehr über genügend Liquidität verfügt. Ein Bankensturm kann die Bank folglich in die Insolvenz treiben, wenn es nicht gelingt, die Lage z.B. mittels einer Sanierung oder einer staatlichen Rettung zu beruhigen.

Was sich gegenüber früheren Bankenstürmen geändert hat

Bekannt sind die Bilder von Bankenstürmen, wie z.B. während der globalen Bankenkrise 2008, bei welchen sich vor allem Kleinanleger in langen Schlangen vor den Bankschaltern anstellten und «ihr Geld» sofort ausbezahlt haben wollten. Solche Bilder sind toxisch, weil sie andere Einleger motivieren, es ihnen gleich zu tun und somit die Krise erst recht antreiben. Spätestens seit der Regionalbankenkrise von Anfang März 2023 in den USA wissen wir aber, dass es noch weit gefährlichere Bankenstürme gibt. Ausgelöst durch «Tweets» in den sozialen Medien, wonach eine Bank nicht mehr sicher sei, wird zum unmittelbaren Abzug der Gelder aufgerufen. Die oftmals zahlreichen «Follower» überweisen ihre nicht selten hohen Einlagen per Mausklick auf eine andere Bank. Das Ganze geht rasch, geräuschlos und ohne viel Aufsehen vonstatten, kann aber für das betroffene Institut existentielle Auswirkungen haben und zwingt die Behörden zum Eingreifen. Sowohl beim Zusammenbruch der Silicon Valley Bank als auch im Fall Credit Suisse haben entsprechende Aufrufe in den sozialen Medien die Abflüsse wenn nicht überhaupt erst ausgelöst, so sicher befeuert. Im Fall der Credit Suisse sind binnen weniger Monate Einlagen in der Grössenordnung von CHF 200 Mrd. abdisponiert worden. Eine Entwicklung, die bis vor kurzem nicht für möglich gehalten wurde.

Massnahmen - guter Rat ist teuer

Die Regulatoren und Zentralbanken weltweit sind beunruhigt über diese Entwicklung. Es wird deshalb nach wirksamen Massnahmen gesucht, um der Gefahr der durch soziale Medien ausgelösten Bankenstürme wirksam zu begegnen. Zweifelhaft scheint zu sein, ob man dem Phänomen mit immer höheren Liquiditätsanforderungen an die Banken bzw. an die von diesen zu haltenden Sicherheiten («Collateral») Herr wird. Eine staatliche Garantie aller Einlagen, wie sie Präsident Biden jüngst ausgesprochen hat, führt zu einer unerwünschten faktischen Verstaatlichung der Banken. Ebenso fraglich wäre die (signifikante) Erhöhung der Grenzwerte der Einlagensicherung.

Mangels Alternativen wird die Rolle der Zentralbanken bei der Gewährung von Notfallliquidität zu überdenken sein. Als geeignete Massnahme in Frage kommt eine gewisse Lockerung bei der Akzeptanz von Collateral. Die Zentralbanken müssen sich folglich überlegen, ob sie inskünftig im Notfall nicht auch weniger liquide bzw. solide Aktiven akzeptieren wollen mit dem Ziel, im Bedarfsfall kurzfristig mehr Liquidität auf gesicherter Basis zur Verfügung stellen zu können. Die Institute sollten anhand von selbst initiierten strengen Liquiditätsstresstests ihren Liquiditätsbedarf und dessen Deckung periodisch überprüfen.

09.08.2023